Teil 1 findet ihr hier:
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Rating
P18
Kategorie
Gay Romance, Drama, History, Lemon
Zusammenfassung
Max und Leon, zwei Jungs aus Virginia/USA in den 30er Jahren aus einer kleinen Stadt namens Hopewell, entdecken ihre Gefühle füreinander und sind alsbald auf der Flucht in die Großstadt.
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REBELLION
Aufbruch nach New York
~ Two ~
Eine Woche später kam Max‘ Vater aus der Stadt
zurück und erzählte ihm von Mr. Sickler und dessen Sohn Leon, der wohl, seit
sie den Laden führten, noch immer verzweifelt nach Freunden suchte. Der junge
Mann hätte ihm spontan vorgeschlagen, doch mal hier raus zu ihnen auf die Farm
zu kommen, um mit Max zusammen auf die Jagd zu gehen.
»Ist ein netter Junge, Sohn. Zeig ihm die Natur
hier draußen und besorgt uns ein fettes Mittagessen!«
Max schluckte. Er würde ihn also tatsächlich
wiedersehen. Eine ganze Armee Ameisen machte sich gerade auf in den Kampf und
ihm war fast ein wenig schwindelig bei dem Gedanken, ganz allein mit Leon in
die Wälder zu ziehen und mit ihm zusammen zu jagen. Wahrscheinlich konnte er
gar nicht mit einem Gewehr umgehen. Max würde es ihm zeigen müssen. Nervös
kaute er auf seinen Nägeln herum. Nie zuvor hatte er solche Gefühle, solch eine
irrsinnige Vorfreude auf etwas empfunden. Endlich mal kein kleines Mädchen, das
ihm in den Wäldern am Rockzipfel hing! Ihm fehlte eindeutig ein guter Freund.
Aber was nicht ist, konnte ja noch werden.
Beim Abendessen hakte Max noch einmal nach.
Schließlich wollte er nicht unvorbereitet sein, wenn Leon zu Besuch kam. Seine
tägliche Arbeit auf der Farm durfte auf jeden Fall nicht davon beeinträchtigt
werden. Und er wollte unbedingt ein Bad nehmen, bevor sie zusammen zur Jagd
aufbrachen. Auf keinen Fall durfte er nach Schweiß riechen, wenn sie beide
Freunde werden wollten. Leon war eindeutig ein feiner Pinkel im Vergleich zu
ihm, wenn man so wollte.
»Wann will der Typ denn kommen, Dad?«
»Welcher Typ?«
»Na, der vom Laden! Wie hieß er noch gleich?«
»Leon. Leon Sickler. Ich habe ihn für Samstag
eingeladen. Um fünf Uhr früh geht’s los. Vielleicht begleite ich euch sogar und
zeige ihm, wie man Enten im Flug erlegt.«
Max riss entsetzt die Augen auf. Wie sollten sie
jemals Freunde werden, wenn sein Dad dabei war? »Das lass mal lieber sein, Dad!
Der ist ziemlich zickig, fürchte ich. Hatte letztens schon im Laden das
Vergnügen mit ihm.«
»Dann wundert es mich nicht, dass er keine Freunde
findet«, meinte Homer trocken. »Ich fand ihn nett. Aber ich bin ja auch
erwachsen und keine Konkurrenz für ihn. Ihr werdet euch doch nicht etwa um die
Mädchen prügeln?« Grinsend bediente sich sein Vater noch einmal am Kartoffelbrei.
»Welche Mädchen?«, fragte Rosalie prompt mit
neckendem Blick auf ihren großen Bruder.
»Den kannst du dir gleich aus dem Kopf schlagen,
Rosalie! Er ist viel zu alt für dich.« Max war in der Eile nichts Besseres
eingefallen. Außerdem wollte er mit seiner kleinen Schwester nicht über Mädchen
sprechen. Sie würde ihn nur andauernd damit aufziehen. Das nervte.
Sein Vater nickte bestimmt dazu. »Wo er recht hat,
hat er recht, Rosie!«
Beleidigt wandte sie sich wieder dem Essen zu.
»Ihr könntet doch mal zusammen ausgehen, was
meinst du?«, setzte sein Vater die Unterhaltung zielgerichtet fort. »Hier
draußen findest du nämlich keine Frau für die Farm, Sohn.«
Und wieder diese zermürbende Diskussion. Max war
es leid, ständig zur Brautschau animiert zu werden. Er hatte noch nicht einmal
darüber nachgedacht! Es war ihm auch bisher kein Mädchen besonders ins Auge
gestochen, das musste er zugeben. Außerdem war er noch viel zu jung, um
überhaupt ans Heiraten zu denken.
»Jetzt lass den Jungen doch mal in Ruhe essen,
Homer! Er sieht doch gut aus, da wird schon irgendwann die Richtige kommen!«
»Danke, Mum!« Max lächelte ihr wissend zu.
»Ausgehen könnten Leon und ich allerdings schon. Falls wir etwas finden, das
uns beiden gefällt.«
»Na also! Der Junge versteht schon, wie ich es
meine, Hannah!«
Amüsiert grinste der Vater in seine Richtung. Max
nickte nur dazu. Er machte gute Miene zum bösen Spiel, wie so oft in letzter
Zeit.
Insgeheim war er jedoch schon bei dem Gedanken an
die Möglichkeit mit Leon auszugehen. Selten hatte er sich bisher für die
Tanzerei erwärmen können, aber vielleicht fand er ja mit ihm Gefallen daran?
Ein bisschen Squaredance hatte noch niemandem geschadet und wer weiß,
vielleicht trafen sie dort ja tatsächlich mal ein passables Mädchen, das ihnen
wirklich gefiel. Er wollte das zumindest mal im Auge behalten.
*
»Wie kommst du dazu, dich mit diesem Bauernlümmel
zu treffen, Leon? Hatten wir nicht abgemacht, dass du dich hier in diesem Nest
nicht auf das Niveau der übrigen Bevölkerung herablassen sollst?«, schimpfte
Mr. Sickler am Freitagmittag, als Leon ihm die Verabredung am Samstagmorgen
verkündete, derentwegen er den Laden nicht, wie sonst üblich, um neun Uhr
öffnen konnte. »Und dann auch noch zur Jagd! Ich hatte dir ausdrücklich
verboten, jemals eine Waffe in die Hand zu nehmen!«
»Dad, ich muss doch auch mal ausgehen dürfen,
verdammt!«
»Aber nicht mit diesem Farmerjungen! Zur Jagd! Der
ist doch längst aus der Schule und wird es nie zu etwas bringen!«
»Hauptsache, er ist nett. Und hat keine Vorurteile
wie du!« Böse blickte Leon seinem Vater in die Augen. »Es ist Samstag und ich
darf ja wohl auch mal Pläne haben!«
John knurrte nur unverständlich vor sich hin und
ließ seinen Sohn einfach hinter dem Tresen stehen. Sollte er doch sehen, was er
davon hatte!
Leon verbuchte das als Sieg. Immerhin hatte sein
Vater ihm nicht noch einmal widersprochen. Wen interessierte denn die Herkunft
eines Jungen, wenn er so hübsch und attraktiv wie dieser Farmerjunge war? Sein
Vater würde es nie kapieren. Und er konnte es ihm nicht sagen. Niemals. Es
würde die Familie komplett ruinieren und das wollte er seiner Mutter nicht
antun. Lieber vergnügte er sich heimlich. Soweit er es beurteilen konnte, war
Max einem kleinen Abenteuer sicher nicht abgeneigt. Sein inzwischen etwas
besseres Radar für derlei Dinge hatte ihm eindeutig zu verstehen gegeben, dass
Max eventuell auch von seinem Schlag sein könnte. Das würde er sicher bald
herausfinden, dachte er mit einem diebischen Grinsen um die Mundwinkel.
»Hätten Sie vielleicht noch ein bisschen Stopfgarn
in grau?«
Leon schrak aus seinen Gedanken. Er hatte völlig
vergessen, dass er Kundschaft hatte.
»Natürlich.« Aus einer Schublade unter dem Tresen
holte er das Gewünschte hervor und legte es vor die Dame auf den Tresen. »Ist
das dann alles?«
»Was macht das? Ich hoffe, ich kann es mir
leisten…«
»Für sie – fünf Cent.« Der Ärger auf seinen Vater
ließ ihn wieder einmal besonders nett zur Kundin sein.
»Sie sind zu gütig, Mr. Sickler.« Verschämt kramte
die ältere Dame in ihrem ausgefransten Portemonnaie.
»Leon für Sie, Mrs. Chandler.«
Erfreut blickte sie hoch, reichte ihm die fünf
Cent und schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Leon also. Danke für Ihre
Freundlichkeit.«
»Beehren Sie uns bald wieder!«, beeilte er sich
noch zu sagen, bevor sie den Laden verlassen konnte.
»Das erzähl ich Dad!«, hörte Leon plötzlich seine
kleine Schwester Amy neben sich stehend. »Er will nicht, dass du den Leuten
billigere Preise machst!«
»Was weißt du Kröte denn, was das Garn kostet!«
»Ich bin zwölf! Und ich darf auch schon Kundschaft
bedienen!«
»Sagt wer?«
»Dad! Du kannst ihn gern fragen!«
»Und du darfst gerne petzen! Ich bemühe mich hier
um die Kunden, das kann man von Dad nicht gerade behaupten! Waren einzukaufen
ist einfach, sie an den Mann zu bringen weit weniger! Schönen Gruß von mir!«
»Er wird dich vierteilen!«, blaffte Amy
rechthaberisch zurück und machte auf dem Absatz kehrt.
»Blöde Ziege!« Leon schüttelte nur den Kopf über
die Kleine. Immer schleimte sie bei den Eltern, was das Zeug hielt. Wie
armselig!
Es dauerte keine zwei Minuten und sein Vater stand
neben ihm. Wütend, wie erwartet, war ihm völlig egal, dass inzwischen der
Bürgermeister mit seiner Frau den Laden betreten hatte und so polterte er
gleich los.
»Amy meint, du hättest dieser alten Vettel schon
wieder etwas billiger verkauft?! Was muss ich eigentlich mit dir machen, damit
du begreifst, dass wir kein Wohlfahrtsunternehmen sind, verdammt noch mal!?«
Noch bevor Leon ihm darauf antworten konnte,
schaltete sich der Bürgermeister ein.
»Entschuldigen Sie, meine Frau hätte gern Stoff
für ein festliches Kleid. Nächsten Monat ist doch Wahl und die Schneiderin
braucht dringend noch Material.«
Erschrocken fuhr Mr. Sickler herum. Gerade noch
rot vor Wut, wurde er jetzt weiß wie eine Wand. Seine Hände zitterten, er hatte
schon zum Schlag ausholen wollen. Nicht das erste Mal, dass Leon eine rote
Wange davongetragen hätte.
»Herr Bürgermeister, was immer Sie wünschen! Ich
zeige Ihnen sofort die vorrätigen Stoffe! Soll es etwas Glänzendes sein?
Vielleicht in dunkelblau?« Schon war er auf dem Weg zum Regal mit den
Stoffballen.
Leon verdrückte sich schnell nach hinten und verließ
das Haus, ohne jemandem ein Wort zu sagen. Sollten sie doch alleine
zurechtkommen! Er würde sich das nicht länger bieten lassen. Viel lieber als
ein Kaufmann wäre er Lehrer geworden, aber für ein College reichte es auch bei
seinen Eltern derzeit noch nicht. Die politische Entwicklung auf der Welt ließ
auch nicht auf eine schnelle Besserung hoffen.
Den restlichen Tag verbrachte er schmollend an
einem kleinen Teich etwa zwei Meilen außerhalb der Stadt, den er selbst zu Fuß
in einer guten Stunde erreichen konnte. Meist saß er nur grübelnd am Wasser und
ließ die Beine ins kühle Nass hängen, während er genüsslich an einem Apfel
knabberte. Heute jedoch legte er sich in den Schatten an den Fuß eines großen
Ahornbaumes und dachte an den nächsten Morgen, an seine Verabredung mit Max
Jenkins, dem ach so primitiven Farmerjungen.
Noch wusste er nicht genau, wie er es anstellen
würde, aber ihm würde schon etwas Geeignetes einfallen, um ihn aus der Reserve
zu locken. Vielleicht ein paar auffällige Komplimente an der richtigen Stelle?
Oder er ließ sich von ihm den Umgang mit der Waffe zeigen. So ein Gewehr musste
man schon bedienen können. Ach, es gab sicher hunderte von Möglichkeiten, sich
im Wald ein wenig näher als üblich zu kommen. Ein sinnliches Grinsen umspielte
seine Mundwinkel, während er geräuschvoll auf einem Grashalm herumkaute.
*
Die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, als
Max schon fix und fertig angezogen mit zwei Gewehren bewaffnet in der Küche saß
und einsam frühstückte. Sein Vater würde gleich aufstehen und kurz darauf käme
auch seine Mutter in die Küche, um ihm das Frühstück zu machen, bevor er auf
die Felder ging. So früh am Morgen war es unheimlich still hier draußen, aber
Max liebte die Einsamkeit der Wälder und die unberührte Natur. Vielleicht war
Farmer nicht unbedingt sein auserkorener Berufswunsch, aber es war nicht das
Schlechteste. Sein Vater hätte ihm niemals erlaubt, etwas anderes zu werden. Er
sollte einmal die Farm übernehmen, denn Rosalie würde hoffentlich einen guten
Mann heiraten und sicher von hier weggehen. Dass man für so eine Farm auch eine
Ehefrau brauchte, wusste Max nur zu gut, nur hatte er bisher noch keine
Anstalten gemacht, sich nach einer geeigneten Kandidatin umzusehen. Seine
Mutter wollte ihn seit einigen Wochen schon andauernd mit in die Kirche
schleppen, was er bisher oft genug tunlichst zu vermeiden gewusst hatte. Er
konnte nicht viel mit Religion anfangen, warum, wusste er eigentlich gar nicht.
Es erschien ihm irgendwie einfältig und nicht mehr zeitgemäß.
Er war kaum fertig mit seinem Kaffee, da hörte er
auch schon das Gespann in den Hof fahren. Augenblicklich überfiel ihn eine
angenehme Nervosität und in seinem Bauch fing es an zu grummeln. Ausgerechnet
jetzt musste er noch einmal auf die Toilette, verdammt!
Es gab auf der Farm noch kein WC im Haus, deshalb
musste er draußen auf dem Weg zum stillen Örtchen wohl oder übel zuerst an Leon
vorbei, wenn er sich nicht in die Hosen machen wollte. Mit fliegenden Fahnen
lief er los, vorbei an einem verdutzt drein blickenden jungen Mann auf dem
Kutschbock, die Laterne schwenkend und dabei hektisch mit dem Arm winkend.
»Was muss, das muss, mein Freund!«, rief Leon ihm
amüsiert hinterher und machte sich daran, das Gespann richtig zu vertäuen und
dem Pferd noch etwas Wasser zu geben, bevor sie zusammen zu Fuß in die Wälder
aufbrechen wollten. Ein lustiger Anblick war Max schon gewesen, dachte Leon
grinsend, während er liebevoll über Storms Flanke streichelte. Seit er ein
eigenes Pferd besaß, fühlte er sich freier als jemals zuvor. Allerdings musste
er erst noch lernen auf dem Tier zu reiten. Sein Vater hatte ihn nicht mit dem
neuen Wagen fahren lassen, was nicht weiter verwunderlich war, wollte er seinen
Sohn doch nicht zusammen mit dem primitiven Bauernlümmel auf die Jagd gehen
lassen.
Nach gefühlten zehn Minuten kam Max aus dem
stillen Örtchen zurück. Er war so aufgeregt, dass er sich kaum auf sein
Geschäft hatte konzentrieren können. Es hatte einige Zeit gedauert, bis er sich
wieder fest genug im Griff gehabt hatte, um den neuen Freund zu begrüßen.
»Hey!«, hielt er ihm grinsend die Hand hin. »Zu
viel Kaffee!«
Leon schmunzelte zurück und begrüßte ihn mit einem
kräftigen Handschlag. »Kann vorkommen.«
»Wir können gleich los. Ich geh nur noch meine
Jacke holen.«
»Okay.«
Schnell kehrte Max ins Haus zurück, packte seine
Jacke, eine Taschenlampe und die beiden Gewehre, gerade als seine Mutter die
Küche betrat.
»Viel Spaß!«, wünschte sie ihm lächelnd.
»Haben wir!«, gab Max nickend zurück.
Wieder draußen auf dem Hof, reichte er Leon die
Waffe seines Vaters und hing sich das eigene Gewehr um die Schulter. »Alles klar?«
»Ich habe noch nie so ein Ding in der Hand
gehabt…«, meinte Leon ehrfürchtig. Irgendwie hatte er gehörigen Respekt vor
Schusswaffen aller Art. In seiner Familie waren sie verpönt und niemand hatte
je eine besessen oder auch nur Schießübungen gemacht.
»Das lernst du schnell. Wenn wir da sind, zeige
ich dir, wie es geht. Dann ist es wenigstens schon hell. Folge mir, ich leuchte
uns den Weg!«
»Aye aye, Sir!« Er salutierte mit einem Grinsen
auf den Lippen.
Warum, zum Teufel, gefiel ihm dieser herrische Ton
an Max bloß so gut? Es machte ihn regelrecht an, ihn so dominant zu erleben.
Vielleicht, weil er ihm dann wie ein richtiger Mann vorkam? Nicht mehr wie ein
schlaksiger Bubi aus der Stadt, sondern ein dezent muskulöser Junge vom Land
mit brauner Haut und Sommersprossen auf der Nase.
Max pfiff kurz nach Jack, ihrem Mischlingsrüden,
der sofort mit hechelnder Zunge angerannt kam, und ging dann mit schnellen
Schritten voraus Richtung Wald. Sie hatten eine halbe Stunde Weg vor sich, bis
sie weit genug von der Farm entfernt waren, um Wild aufzuspüren, das sie
erlegen konnten. Ab und zu drehte er sich um, um sich zu vergewissern, dass
Leon noch da war. Die Taschenlampe beleuchtete dabei jedes Mal das Gesicht des
hübschen jungen Mannes, der, im Gegensatz zu ihm, so sanft und weltmännisch
rüberkam, dass es ihm förmlich den Atem verschlug. Er fühlte sich mit einem Mal
so schmutzig. Bei Leon saß jedes seiner dunklen, leicht gewellten Haare am
richtigen Platz, während ihm die blonden Locken wild ins Gesicht zu hängen pflegten,
bis er sie sich wieder hinter die Ohren strich.
Schweigsam verfolgten sie ihr Ziel, keiner der
beiden wollte den Anfang einer Unterhaltung machen. Als sie schließlich endlich
im Wald angelangt waren, legte Max bewusst den Finger auf seine Lippen, damit
Leon nicht aus Versehen mit einer unbedachten Bemerkung das Wild verscheuchte.
»Ab jetzt ist nur noch Flüstern erlaubt«, erklärte
er ihm mit Blick auf die Umgebung. Es dämmerte bereits, genau die richtige Zeit
für die Jagd. »Du musst das Gewehr so halten wie ich.«
Leon folgte seinem Beispiel.
»Genau. Wenn wir einen Hasen sehen, entsicherst
du. Das geht so, siehst du?«
Leon nickte und tat wie ihm befohlen. »Und dann
Kimme und Korn, verstehe!«
»Bleib immer neben mir, ich will kein Schrot
abkriegen«, grinste Max verwegen. »Zuerst versuche ich mein Glück, das nächste
Mal bist du dran, okay?«
»Einverstanden.«
Die Pirsch konnte beginnen. Obwohl Leon nicht
sicher war, ob er tatsächlich den Abzug betätigen wollte, wenn es darauf ankam.
Die Vorstellung, ein Tier zu töten, war ihm ziemlich unangenehm und wäre es
nicht für ihre Freundschaft gewesen, hätte er sich vermutlich nicht darauf
eingelassen.
Es dauerte nicht lang, da begegnete ihnen ein
Fasan. Max hielt Leon mit der Hand auf seiner Brust abrupt auf, ohne zu
sprechen. Sie durften noch nicht einmal ein Ästchen unter ihren Schuhen knacken
lassen, wenn sie den Vogel erlegen wollten.
Leon hatte förmlich die Luft angehalten, als Max
ihn so plötzlich berührt hatte und seine Hand nicht mehr zurückzog. Noch immer
lag sie auf seiner Brust, er konnte jeden Finger durch sein Baumwollshirt
spüren. Sein Herzschlag verdoppelte sich, Max würde es sicher bemerken. Aber
wahrscheinlich würde er es nur der Aufregung wegen der Jagd zuschieben, was
natürlich nur die halbe Wahrheit war.
Langsam legte Max die Waffe an. Zielte und schoss.
Leon zuckte unter dem lauten Knall förmlich zusammen.
»Erwischt!«, grinste Max frech zu seinem Freund.
Leon lächelte. »Du bist ein guter Schütze!«
»Ist nur die Übung. Du lernst das schnell, wirst
schon sehen! Jack! Hol die Beute!« Mit einem Wink schickte er den Hund los, den
Vogel zu ihnen zu bringen. Das Tier war gut trainiert, es wusste genau was zu
tun war. Nicht einen Mucks hatte Jack bis dahin von sich gegeben.
Bewundernswert, wie Leon fand.
Kurz darauf brachte er ihnen den toten Fasan und
legte ihn Max vor die Füße. Der hob ihn hoch und begutachtete seine Beute.
»Ein ordentlicher Braten! Jetzt bräuchten wir nur
noch etwas für dich, das du mit nach Hause nehmen kannst.«
»Bloß nicht!«, beeilte sich Leon zu bemerken.
»Hä?«
»Mein Dad wollte mich nicht mit dir auf die Jagd
gehen lassen. Er hasst Waffen.«
»Aber ihr wollt schon jeden Tag Fleisch auf dem
Teller haben, wie?«
Leon grinste. »Doppelmoral, ich weiß. Aber ich bin
mir auch nicht sicher, ob ich wirklich abdrücken könnte…«
»Das werden wir bald wissen«, antwortete Max
verschmitzt. »Komm! Wir gehen noch ein bisschen tiefer in den Wald.«
Wieder streiften sie so leise wie möglich durch
den Dickicht. Schließlich landeten sie auf einer Lichtung. Die Sonne warf
bereits kaum wahrnehmbar ihre Strahlen durch die Bäume rings um die freie
Fläche, es sah wundervoll romantisch aus.
»Wie schön es hier ist!« Leon blickte mit offenem
Mund einmal um sich herum, die Natur bestaunend, als hätte er noch nie so etwas
Wunderbares gesehen.
»Der Wald eben. Nix Besonderes.«
»Spinnst du? Sieh dich doch mal um! Die
Sonnenstrahlen dringen durch die Bäume, werfen ihr Licht in Bahnen auf die
Lichtung! So etwas findest du in der Stadt nicht!«
Max blickte verwirrt auf seinen Begleiter. Wo
lebte der denn? »Wenn du meinst…«
»Das nächste Mal kommst du mit mir in die Stadt,
einverstanden? Dann zeige ich dir die Schönheit von Architektur. Aber nichts
kann das hier toppen, ehrlich!« Erneut drehte er sich einmal um die eigene
Achse und seufzte vor Wonne. Ein glückliches Lächeln lag auf seinem Gesicht.
Max staunte nicht schlecht über seine
offensichtliche Begeisterung für einen einfachen Wald. Unterschiedlicher
könnten sie die Welt nicht sehen, fand er insgeheim. Aber machte nicht genau
das den anderen so interessant für ihn? Von Leon konnte er viel lernen und
vielleicht konnte er ihm seinerseits ja auch etwas beibringen, das mehr
bedeutete, als nur den Abzug einer Schrotflinte zu betätigen…
»Lass uns nach Wild Ausschau halten. Es ist bald
zu hell dafür.«
Leon nickte und stapfte mutig hinter ihm her. Jack
immer zwischen ihnen, als müsste er auf sie beide achtgeben. Schon ein paar
Minuten später erblickte Max im Dickicht vor ihnen ein Kaninchen. Er hielt Leon
erneut mit der Hand auf seiner Brust auf. »Pscht!«
Leise schlich er sich hinter Leon, wartete, bis
dieser die Flinte angelegt hatte. Dann griff er ihm fachmännisch unter die
Arme, um gemeinsam mit ihm zu zielen. Dabei streifte sein heißer Atem kurz
Leons Wange und er schluckte hart. Fast hätte er sich ruckartig zurückgezogen,
ließ es aber im letzten Moment sein. Wieder fühlte er dieses Kribbeln tief in seinen
Eingeweiden, alles zog sich in ihm zusammen, ein Knoten im Magen ließ ihn
förmlich die Luft anhalten. Er konnte nicht sprechen.
Leon kämpfte indes gegen plötzlich auftretende
Schnappatmung, als er Max so dicht hinter sich spürte. Am liebsten hätte er das
Gesicht gedreht, um diese wundervollen Lippen mit den seinen einzufangen,
während er wild in Max‘ Locken herumwuschelte. Aber er riss sich zusammen,
nicht ohne ein Spannen in der Hose zu fühlen. Unmöglich, dass dieser hübsche
Farmerjunge nicht wusste, was er ihm damit antat…
Max räusperte sich kurz. »Perfekt! Zielen und…!«,
flüsterte er dicht an Leons Ohr, die Hand über seiner am Abzug. Nichts
passierte. »Jetzt!« Leon drückte ab. Ein lauter Knall erfüllte die romantische
Stille zwischen ihnen. Das Kaninchen sprang im Zickzack davon.
Max ließ den jungen Mann los. Er war schon ein
bisschen enttäuscht, aber das wollte er sich nicht anmerken lassen. Leon
hingegen atmete seufzend aus, als wäre ihm soeben ein Stein vom Herzen
gefallen.
»Nicht getroffen.«
»Macht nichts! Dann eben das nächste Mal!«,
beeilte sich Max ihm Mut zu machen.
Leon schmunzelte über seine Geduld mit ihm. »Ich
bin nicht gerade ein Naturtalent, was?«
»Sagen wir so: Du hast Potential.«
Schallendes Lachen erfüllte den Wald. Sie
wanderten langsam zusammen mit Jack zurück zum Haus, ohne in Eile zu sein. Max
wollte den Ausflug allein mit dem neuen Freund noch etwas länger genießen und
Leon suchte verzweifelt nach einer erneuten Möglichkeit, dem Objekt der
Begierde näher zu kommen. Vielleicht sollte er es mal mit Konversation
versuchen?
»Hast du eigentlich ein Mädchen?«, fragte er Max
schließlich einfach gerade heraus. Was immer er ihm jetzt antworten mochte, er
würde sich damit abfinden müssen.
»Nein. Du etwa?«
Sollte er gleich mit der Tür ins Haus fallen? Es
war ein Risiko, aber irgendwie musste er ihm zu verstehen geben, dass er nicht
so normal war, wie Max vielleicht glaubte.
»Nein. Ich stehe mehr auf…« Eine kleine Pause
sollte Max Gelegenheit geben, nachzudenken.
»Auf? Das Singledasein? Darüber denke ich auch
andauernd nach. Aber mein Dad will unbedingt, dass ich mir die passende Frau
für die Farm suche.«
»Nein. Ich meinte, ich stehe mehr auf…« Verdammt!
Es wollte ihm einfach nicht über die Lippen kommen! Er war doch sonst nicht so
ein Feigling?
»Nutten?«, fragte Max ungläubig nach. Bisher war
er noch nie auf den Gedanken gekommen, sich die Erfahrung einfach bei einer
Professionellen zu suchen.
»Ach, Blödsinn! Auf Männer, du Spinner!« Jetzt war
es raus. »Ich dachte eigentlich, du kommst selbst drauf…«
Max hatte es glatt die Sprache verschlagen. In
seinem jungen Leben war er noch nicht mit Homosexualität in Berührung gekommen
und hatte auch nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass es das überhaupt
wirklich gab. Verwirrt blickte er stur geradeaus, während er weiter neben Leon
her spazierte.
Die Stille lastete schwer auf ihnen. Aber Leon
wollte Max Zeit geben, darüber nachzudenken, bevor er ihm darauf antwortete.
Stattdessen streichelte er Jack und fing an, sich mit dem Mischlingsrüden zu
unterhalten, als hätte er überhaupt keine Bombe platzen lassen. Es war klar,
dass Max nicht mit so etwas gerechnet hatte und demnach wahrscheinlich nicht
schwul war.
Die Gedanken rasten förmlich in Max‘ Kopf. Er sah
plötzlich alles wie einen Film vor sich ablaufen. Das Kribbeln in seinem Bauch,
das seltsame Interesse an dem jungen Mann neben ihm, das Gefühl, wenn er ihm
nahe war, ihn gar berührte oder ihm Worte dicht an die Wange hauchte. Sein Herz
wollte beinahe zerspringen vor Aufregung. Schlagartig wurde ihm klar, was die
ganze Zeit über in ihm vorgegangen war, ohne dass er überhaupt wusste, was mit
ihm los war. Und jetzt wartete der Freund auf eine Antwort. Ihm war schlecht
vor Angst und Wohlgefühl zugleich. Dann nahm er seinen ganzen Mut zusammen und
setzte auf Naivität.
»Stehst du etwa auf mich?«, flüsterte Max
ergriffen.
Leons Herz hüpfte vor Freude. Hatte er sich also
doch nicht getäuscht? »Könnte sein.« Er wollte es schließlich nicht
übertreiben.
Erneut folgte eine Weile der Stille. Nur die
Zweige unter ihren Füßen knickten. Beide mussten die gefallenen Worte der
Wahrheit erst einmal verarbeiten.
Nach ein paar Minuten hielt Leon es jedoch nicht
mehr aus. Er musste dem hübschen Jungen einfach helfen. »Was denkst du
darüber?«
Gute Frage. Was dachte er darüber? Es fühlte sich
an, als befände er sich im freien Fall von einer hohen Klippe. Wunderschön und
beängstigend zugleich. Was wollte Leon jetzt von ihm hören? War er schon so
weit, es sich nicht nur selbst, sondern auch ihm einzugestehen?
»Ich weiß nicht.«
»Okay.« Damit musste Leon sich erst einmal
zufrieden geben.
Den Rest des Weges schwiegen sie, hingen beide
ihren Gedanken nach und kämpften mit den aufkommenden Gefühlen. Zurück am
Farmhaus fand Leon als erster die Stimme wieder.
»Nächsten Samstag bei mir in der Stadt? Wir
könnten tanzen gehen, ein paar Hühner aufreißen?« Am besten ließen sie alles
andere erst einmal ruhen und pflegten einfach ihre Freundschaft. Außerdem klang
es wie ein Alibi für ein weiteres Treffen.
Max nickte, gab ihm freundschaftlich die Hand,
nachdem Leon ihm die Flinte zurückgegeben hatte. »Okay. Ich komme um acht in
den Laden.«
»Perfekt!« Mit einem Lächeln saß Leon auf dem
Kutschbock auf und schnalzte mit der Zunge, um Storm in Bewegung zu versetzen.
Max blickte ihm noch einige Zeit nach. Und ärgerte sich maßlos, dass er nicht
deutlicher geworden war. Aber es fühlte sich noch so fremd an, so unglaublich
revolutionär. Ja, das war das richtige Wort dafür. Revolutionär.