Pssst...

Pssst...
Mit einem Klick auf das Bild landest du auf meiner Autorenseite auf Amazon.

Sonntag, 27. November 2016

Rebellion - Aufbruch nach New York - TWO (Online Story zum Mitlesen)


Heute gibt's Teil 2 der Online-Story zum Mitlesen ;-) Viel Spaß dabei! 

Teil 1 findet ihr hier: 
http://mariceleste2015.blogspot.de/2016/11/goodie-story-zum-mitlesen-rebellion.html


°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°



Rating
P18

Kategorie
Gay Romance, Drama, History, Lemon

Zusammenfassung
Max und Leon, zwei Jungs aus Virginia/USA in den 30er Jahren aus einer kleinen Stadt namens Hopewell, entdecken ihre Gefühle füreinander und sind alsbald auf der Flucht in die Großstadt. 



°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°


REBELLION

Aufbruch nach New York

~ Two ~


Eine Woche später kam Max‘ Vater aus der Stadt zurück und erzählte ihm von Mr. Sickler und dessen Sohn Leon, der wohl, seit sie den Laden führten, noch immer verzweifelt nach Freunden suchte. Der junge Mann hätte ihm spontan vorgeschlagen, doch mal hier raus zu ihnen auf die Farm zu kommen, um mit Max zusammen auf die Jagd zu gehen.
»Ist ein netter Junge, Sohn. Zeig ihm die Natur hier draußen und besorgt uns ein fettes Mittagessen!«
Max schluckte. Er würde ihn also tatsächlich wiedersehen. Eine ganze Armee Ameisen machte sich gerade auf in den Kampf und ihm war fast ein wenig schwindelig bei dem Gedanken, ganz allein mit Leon in die Wälder zu ziehen und mit ihm zusammen zu jagen. Wahrscheinlich konnte er gar nicht mit einem Gewehr umgehen. Max würde es ihm zeigen müssen. Nervös kaute er auf seinen Nägeln herum. Nie zuvor hatte er solche Gefühle, solch eine irrsinnige Vorfreude auf etwas empfunden. Endlich mal kein kleines Mädchen, das ihm in den Wäldern am Rockzipfel hing! Ihm fehlte eindeutig ein guter Freund. Aber was nicht ist, konnte ja noch werden.
Beim Abendessen hakte Max noch einmal nach. Schließlich wollte er nicht unvorbereitet sein, wenn Leon zu Besuch kam. Seine tägliche Arbeit auf der Farm durfte auf jeden Fall nicht davon beeinträchtigt werden. Und er wollte unbedingt ein Bad nehmen, bevor sie zusammen zur Jagd aufbrachen. Auf keinen Fall durfte er nach Schweiß riechen, wenn sie beide Freunde werden wollten. Leon war eindeutig ein feiner Pinkel im Vergleich zu ihm, wenn man so wollte.
»Wann will der Typ denn kommen, Dad?«
»Welcher Typ?«
»Na, der vom Laden! Wie hieß er noch gleich?«
»Leon. Leon Sickler. Ich habe ihn für Samstag eingeladen. Um fünf Uhr früh geht’s los. Vielleicht begleite ich euch sogar und zeige ihm, wie man Enten im Flug erlegt.«
Max riss entsetzt die Augen auf. Wie sollten sie jemals Freunde werden, wenn sein Dad dabei war? »Das lass mal lieber sein, Dad! Der ist ziemlich zickig, fürchte ich. Hatte letztens schon im Laden das Vergnügen mit ihm.«
»Dann wundert es mich nicht, dass er keine Freunde findet«, meinte Homer trocken. »Ich fand ihn nett. Aber ich bin ja auch erwachsen und keine Konkurrenz für ihn. Ihr werdet euch doch nicht etwa um die Mädchen prügeln?« Grinsend bediente sich sein Vater noch einmal am Kartoffelbrei.
»Welche Mädchen?«, fragte Rosalie prompt mit neckendem Blick auf ihren großen Bruder.
»Den kannst du dir gleich aus dem Kopf schlagen, Rosalie! Er ist viel zu alt für dich.« Max war in der Eile nichts Besseres eingefallen. Außerdem wollte er mit seiner kleinen Schwester nicht über Mädchen sprechen. Sie würde ihn nur andauernd damit aufziehen. Das nervte.
Sein Vater nickte bestimmt dazu. »Wo er recht hat, hat er recht, Rosie!«
Beleidigt wandte sie sich wieder dem Essen zu.
»Ihr könntet doch mal zusammen ausgehen, was meinst du?«, setzte sein Vater die Unterhaltung zielgerichtet fort. »Hier draußen findest du nämlich keine Frau für die Farm, Sohn.«
Und wieder diese zermürbende Diskussion. Max war es leid, ständig zur Brautschau animiert zu werden. Er hatte noch nicht einmal darüber nachgedacht! Es war ihm auch bisher kein Mädchen besonders ins Auge gestochen, das musste er zugeben. Außerdem war er noch viel zu jung, um überhaupt ans Heiraten  zu denken.
»Jetzt lass den Jungen doch mal in Ruhe essen, Homer! Er sieht doch gut aus, da wird schon irgendwann die Richtige kommen!«
»Danke, Mum!« Max lächelte ihr wissend zu. »Ausgehen könnten Leon und ich allerdings schon. Falls wir etwas finden, das uns beiden gefällt.«
»Na also! Der Junge versteht schon, wie ich es meine, Hannah!«
Amüsiert grinste der Vater in seine Richtung. Max nickte nur dazu. Er machte gute Miene zum bösen Spiel, wie so oft in letzter Zeit.
Insgeheim war er jedoch schon bei dem Gedanken an die Möglichkeit mit Leon auszugehen. Selten hatte er sich bisher für die Tanzerei erwärmen können, aber vielleicht fand er ja mit ihm Gefallen daran? Ein bisschen Squaredance hatte noch niemandem geschadet und wer weiß, vielleicht trafen sie dort ja tatsächlich mal ein passables Mädchen, das ihnen wirklich gefiel. Er wollte das zumindest mal im Auge behalten.

*

»Wie kommst du dazu, dich mit diesem Bauernlümmel zu treffen, Leon? Hatten wir nicht abgemacht, dass du dich hier in diesem Nest nicht auf das Niveau der übrigen Bevölkerung herablassen sollst?«, schimpfte Mr. Sickler am Freitagmittag, als Leon ihm die Verabredung am Samstagmorgen verkündete, derentwegen er den Laden nicht, wie sonst üblich, um neun Uhr öffnen konnte. »Und dann auch noch zur Jagd! Ich hatte dir ausdrücklich verboten, jemals eine Waffe in die Hand zu nehmen!«
»Dad, ich muss doch auch mal ausgehen dürfen, verdammt!«
»Aber nicht mit diesem Farmerjungen! Zur Jagd! Der ist doch längst aus der Schule und wird es nie zu etwas bringen!«
»Hauptsache, er ist nett. Und hat keine Vorurteile wie du!« Böse blickte Leon seinem Vater in die Augen. »Es ist Samstag und ich darf ja wohl auch mal Pläne haben!«
John knurrte nur unverständlich vor sich hin und ließ seinen Sohn einfach hinter dem Tresen stehen. Sollte er doch sehen, was er davon hatte!
Leon verbuchte das als Sieg. Immerhin hatte sein Vater ihm nicht noch einmal widersprochen. Wen interessierte denn die Herkunft eines Jungen, wenn er so hübsch und attraktiv wie dieser Farmerjunge war? Sein Vater würde es nie kapieren. Und er konnte es ihm nicht sagen. Niemals. Es würde die Familie komplett ruinieren und das wollte er seiner Mutter nicht antun. Lieber vergnügte er sich heimlich. Soweit er es beurteilen konnte, war Max einem kleinen Abenteuer sicher nicht abgeneigt. Sein inzwischen etwas besseres Radar für derlei Dinge hatte ihm eindeutig zu verstehen gegeben, dass Max eventuell auch von seinem Schlag sein könnte. Das würde er sicher bald herausfinden, dachte er mit einem diebischen Grinsen um die Mundwinkel.
»Hätten Sie vielleicht noch ein bisschen Stopfgarn in grau?«
Leon schrak aus seinen Gedanken. Er hatte völlig vergessen, dass er Kundschaft hatte.
»Natürlich.« Aus einer Schublade unter dem Tresen holte er das Gewünschte hervor und legte es vor die Dame auf den Tresen. »Ist das dann alles?«
»Was macht das? Ich hoffe, ich kann es mir leisten…«
»Für sie – fünf Cent.« Der Ärger auf seinen Vater ließ ihn wieder einmal besonders nett zur Kundin sein.
»Sie sind zu gütig, Mr. Sickler.« Verschämt kramte die ältere Dame in ihrem ausgefransten Portemonnaie.
»Leon für Sie, Mrs. Chandler.«
Erfreut blickte sie hoch, reichte ihm die fünf Cent und schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Leon also. Danke für Ihre Freundlichkeit.«
»Beehren Sie uns bald wieder!«, beeilte er sich noch zu sagen, bevor sie den Laden verlassen konnte.
»Das erzähl ich Dad!«, hörte Leon plötzlich seine kleine Schwester Amy neben sich stehend. »Er will nicht, dass du den Leuten billigere Preise machst!«
»Was weißt du Kröte denn, was das Garn kostet!«
»Ich bin zwölf! Und ich darf auch schon Kundschaft bedienen!«
»Sagt wer?«
»Dad! Du kannst ihn gern fragen!«
»Und du darfst gerne petzen! Ich bemühe mich hier um die Kunden, das kann man von Dad nicht gerade behaupten! Waren einzukaufen ist einfach, sie an den Mann zu bringen weit weniger! Schönen Gruß von mir!«
»Er wird dich vierteilen!«, blaffte Amy rechthaberisch zurück und machte auf dem Absatz kehrt.
»Blöde Ziege!« Leon schüttelte nur den Kopf über die Kleine. Immer schleimte sie bei den Eltern, was das Zeug hielt. Wie armselig!
Es dauerte keine zwei Minuten und sein Vater stand neben ihm. Wütend, wie erwartet, war ihm völlig egal, dass inzwischen der Bürgermeister mit seiner Frau den Laden betreten hatte und so polterte er gleich los.
»Amy meint, du hättest dieser alten Vettel schon wieder etwas billiger verkauft?! Was muss ich eigentlich mit dir machen, damit du begreifst, dass wir kein Wohlfahrtsunternehmen sind, verdammt noch mal!?«
Noch bevor Leon ihm darauf antworten konnte, schaltete sich der Bürgermeister ein.
»Entschuldigen Sie, meine Frau hätte gern Stoff für ein festliches Kleid. Nächsten Monat ist doch Wahl und die Schneiderin braucht dringend noch Material.«
Erschrocken fuhr Mr. Sickler herum. Gerade noch rot vor Wut, wurde er jetzt weiß wie eine Wand. Seine Hände zitterten, er hatte schon zum Schlag ausholen wollen. Nicht das erste Mal, dass Leon eine rote Wange davongetragen hätte.
»Herr Bürgermeister, was immer Sie wünschen! Ich zeige Ihnen sofort die vorrätigen Stoffe! Soll es etwas Glänzendes sein? Vielleicht in dunkelblau?« Schon war er auf dem Weg zum Regal mit den Stoffballen.
Leon verdrückte sich schnell nach hinten und verließ das Haus, ohne jemandem ein Wort zu sagen. Sollten sie doch alleine zurechtkommen! Er würde sich das nicht länger bieten lassen. Viel lieber als ein Kaufmann wäre er Lehrer geworden, aber für ein College reichte es auch bei seinen Eltern derzeit noch nicht. Die politische Entwicklung auf der Welt ließ auch nicht auf eine schnelle Besserung hoffen.
Den restlichen Tag verbrachte er schmollend an einem kleinen Teich etwa zwei Meilen außerhalb der Stadt, den er selbst zu Fuß in einer guten Stunde erreichen konnte. Meist saß er nur grübelnd am Wasser und ließ die Beine ins kühle Nass hängen, während er genüsslich an einem Apfel knabberte. Heute jedoch legte er sich in den Schatten an den Fuß eines großen Ahornbaumes und dachte an den nächsten Morgen, an seine Verabredung mit Max Jenkins, dem ach so primitiven Farmerjungen.
Noch wusste er nicht genau, wie er es anstellen würde, aber ihm würde schon etwas Geeignetes einfallen, um ihn aus der Reserve zu locken. Vielleicht ein paar auffällige Komplimente an der richtigen Stelle? Oder er ließ sich von ihm den Umgang mit der Waffe zeigen. So ein Gewehr musste man schon bedienen können. Ach, es gab sicher hunderte von Möglichkeiten, sich im Wald ein wenig näher als üblich zu kommen. Ein sinnliches Grinsen umspielte seine Mundwinkel, während er geräuschvoll auf einem Grashalm herumkaute.

*

Die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, als Max schon fix und fertig angezogen mit zwei Gewehren bewaffnet in der Küche saß und einsam frühstückte. Sein Vater würde gleich aufstehen und kurz darauf käme auch seine Mutter in die Küche, um ihm das Frühstück zu machen, bevor er auf die Felder ging. So früh am Morgen war es unheimlich still hier draußen, aber Max liebte die Einsamkeit der Wälder und die unberührte Natur. Vielleicht war Farmer nicht unbedingt sein auserkorener Berufswunsch, aber es war nicht das Schlechteste. Sein Vater hätte ihm niemals erlaubt, etwas anderes zu werden. Er sollte einmal die Farm übernehmen, denn Rosalie würde hoffentlich einen guten Mann heiraten und sicher von hier weggehen. Dass man für so eine Farm auch eine Ehefrau brauchte, wusste Max nur zu gut, nur hatte er bisher noch keine Anstalten gemacht, sich nach einer geeigneten Kandidatin umzusehen. Seine Mutter wollte ihn seit einigen Wochen schon andauernd mit in die Kirche schleppen, was er bisher oft genug tunlichst zu vermeiden gewusst hatte. Er konnte nicht viel mit Religion anfangen, warum, wusste er eigentlich gar nicht. Es erschien ihm irgendwie einfältig und nicht mehr zeitgemäß.
Er war kaum fertig mit seinem Kaffee, da hörte er auch schon das Gespann in den Hof fahren. Augenblicklich überfiel ihn eine angenehme Nervosität und in seinem Bauch fing es an zu grummeln. Ausgerechnet jetzt musste er noch einmal auf die Toilette, verdammt!
Es gab auf der Farm noch kein WC im Haus, deshalb musste er draußen auf dem Weg zum stillen Örtchen wohl oder übel zuerst an Leon vorbei, wenn er sich nicht in die Hosen machen wollte. Mit fliegenden Fahnen lief er los, vorbei an einem verdutzt drein blickenden jungen Mann auf dem Kutschbock, die Laterne schwenkend und dabei hektisch mit dem Arm winkend.
»Was muss, das muss, mein Freund!«, rief Leon ihm amüsiert hinterher und machte sich daran, das Gespann richtig zu vertäuen und dem Pferd noch etwas Wasser zu geben, bevor sie zusammen zu Fuß in die Wälder aufbrechen wollten. Ein lustiger Anblick war Max schon gewesen, dachte Leon grinsend, während er liebevoll über Storms Flanke streichelte. Seit er ein eigenes Pferd besaß, fühlte er sich freier als jemals zuvor. Allerdings musste er erst noch lernen auf dem Tier zu reiten. Sein Vater hatte ihn nicht mit dem neuen Wagen fahren lassen, was nicht weiter verwunderlich war, wollte er seinen Sohn doch nicht zusammen mit dem primitiven Bauernlümmel auf die Jagd gehen lassen.
Nach gefühlten zehn Minuten kam Max aus dem stillen Örtchen zurück. Er war so aufgeregt, dass er sich kaum auf sein Geschäft hatte konzentrieren können. Es hatte einige Zeit gedauert, bis er sich wieder fest genug im Griff gehabt hatte, um den neuen Freund zu begrüßen.
»Hey!«, hielt er ihm grinsend die Hand hin. »Zu viel Kaffee!«
Leon schmunzelte zurück und begrüßte ihn mit einem kräftigen Handschlag. »Kann vorkommen.«
»Wir können gleich los. Ich geh nur noch meine Jacke holen.«
»Okay.«
Schnell kehrte Max ins Haus zurück, packte seine Jacke, eine Taschenlampe und die beiden Gewehre, gerade als seine Mutter die Küche betrat.
»Viel Spaß!«, wünschte sie ihm lächelnd.
»Haben wir!«, gab Max nickend zurück.
Wieder draußen auf dem Hof, reichte er Leon die Waffe seines Vaters und hing sich das eigene Gewehr um die Schulter. »Alles klar?«
»Ich habe noch nie so ein Ding in der Hand gehabt…«, meinte Leon ehrfürchtig. Irgendwie hatte er gehörigen Respekt vor Schusswaffen aller Art. In seiner Familie waren sie verpönt und niemand hatte je eine besessen oder auch nur Schießübungen gemacht.
»Das lernst du schnell. Wenn wir da sind, zeige ich dir, wie es geht. Dann ist es wenigstens schon hell. Folge mir, ich leuchte uns den Weg!«
»Aye aye, Sir!« Er salutierte mit einem Grinsen auf den Lippen.
Warum, zum Teufel, gefiel ihm dieser herrische Ton an Max bloß so gut? Es machte ihn regelrecht an, ihn so dominant zu erleben. Vielleicht, weil er ihm dann wie ein richtiger Mann vorkam? Nicht mehr wie ein schlaksiger Bubi aus der Stadt, sondern ein dezent muskulöser Junge vom Land mit brauner Haut und Sommersprossen auf der Nase.
Max pfiff kurz nach Jack, ihrem Mischlingsrüden, der sofort mit hechelnder Zunge angerannt kam, und ging dann mit schnellen Schritten voraus Richtung Wald. Sie hatten eine halbe Stunde Weg vor sich, bis sie weit genug von der Farm entfernt waren, um Wild aufzuspüren, das sie erlegen konnten. Ab und zu drehte er sich um, um sich zu vergewissern, dass Leon noch da war. Die Taschenlampe beleuchtete dabei jedes Mal das Gesicht des hübschen jungen Mannes, der, im Gegensatz zu ihm, so sanft und weltmännisch rüberkam, dass es ihm förmlich den Atem verschlug. Er fühlte sich mit einem Mal so schmutzig. Bei Leon saß jedes seiner dunklen, leicht gewellten Haare am richtigen Platz, während ihm die blonden Locken wild ins Gesicht zu hängen pflegten, bis er sie sich wieder hinter die Ohren strich.
Schweigsam verfolgten sie ihr Ziel, keiner der beiden wollte den Anfang einer Unterhaltung machen. Als sie schließlich endlich im Wald angelangt waren, legte Max bewusst den Finger auf seine Lippen, damit Leon nicht aus Versehen mit einer unbedachten Bemerkung das Wild verscheuchte.
»Ab jetzt ist nur noch Flüstern erlaubt«, erklärte er ihm mit Blick auf die Umgebung. Es dämmerte bereits, genau die richtige Zeit für die Jagd. »Du musst das Gewehr so halten wie ich.«
Leon folgte seinem Beispiel.
»Genau. Wenn wir einen Hasen sehen, entsicherst du. Das geht so, siehst du?«
Leon nickte und tat wie ihm befohlen. »Und dann Kimme und Korn, verstehe!«
»Bleib immer neben mir, ich will kein Schrot abkriegen«, grinste Max verwegen. »Zuerst versuche ich mein Glück, das nächste Mal bist du dran, okay?«
»Einverstanden.«
Die Pirsch konnte beginnen. Obwohl Leon nicht sicher war, ob er tatsächlich den Abzug betätigen wollte, wenn es darauf ankam. Die Vorstellung, ein Tier zu töten, war ihm ziemlich unangenehm und wäre es nicht für ihre Freundschaft gewesen, hätte er sich vermutlich nicht darauf eingelassen.
Es dauerte nicht lang, da begegnete ihnen ein Fasan. Max hielt Leon mit der Hand auf seiner Brust abrupt auf, ohne zu sprechen. Sie durften noch nicht einmal ein Ästchen unter ihren Schuhen knacken lassen, wenn sie den Vogel erlegen wollten.
Leon hatte förmlich die Luft angehalten, als Max ihn so plötzlich berührt hatte und seine Hand nicht mehr zurückzog. Noch immer lag sie auf seiner Brust, er konnte jeden Finger durch sein Baumwollshirt spüren. Sein Herzschlag verdoppelte sich, Max würde es sicher bemerken. Aber wahrscheinlich würde er es nur der Aufregung wegen der Jagd zuschieben, was natürlich nur die halbe Wahrheit war.
Langsam legte Max die Waffe an. Zielte und schoss. Leon zuckte unter dem lauten Knall förmlich zusammen.
»Erwischt!«, grinste Max frech zu seinem Freund.
Leon lächelte. »Du bist ein guter Schütze!«
»Ist nur die Übung. Du lernst das schnell, wirst schon sehen! Jack! Hol die Beute!« Mit einem Wink schickte er den Hund los, den Vogel zu ihnen zu bringen. Das Tier war gut trainiert, es wusste genau was zu tun war. Nicht einen Mucks hatte Jack bis dahin von sich gegeben. Bewundernswert, wie Leon fand.
Kurz darauf brachte er ihnen den toten Fasan und legte ihn Max vor die Füße. Der hob ihn hoch und begutachtete seine Beute.
»Ein ordentlicher Braten! Jetzt bräuchten wir nur noch etwas für dich, das du mit nach Hause nehmen kannst.«
»Bloß nicht!«, beeilte sich Leon zu bemerken.
»Hä?«
»Mein Dad wollte mich nicht mit dir auf die Jagd gehen lassen. Er hasst Waffen.«
»Aber ihr wollt schon jeden Tag Fleisch auf dem Teller haben, wie?«
Leon grinste. »Doppelmoral, ich weiß. Aber ich bin mir auch nicht sicher, ob ich wirklich abdrücken könnte…«
»Das werden wir bald wissen«, antwortete Max verschmitzt. »Komm! Wir gehen noch ein bisschen tiefer in den Wald.«
Wieder streiften sie so leise wie möglich durch den Dickicht. Schließlich landeten sie auf einer Lichtung. Die Sonne warf bereits kaum wahrnehmbar ihre Strahlen durch die Bäume rings um die freie Fläche, es sah wundervoll romantisch aus.
»Wie schön es hier ist!« Leon blickte mit offenem Mund einmal um sich herum, die Natur bestaunend, als hätte er noch nie so etwas Wunderbares gesehen.
»Der Wald eben. Nix Besonderes.«
»Spinnst du? Sieh dich doch mal um! Die Sonnenstrahlen dringen durch die Bäume, werfen ihr Licht in Bahnen auf die Lichtung! So etwas findest du in der Stadt nicht!«
Max blickte verwirrt auf seinen Begleiter. Wo lebte der denn? »Wenn du meinst…«
»Das nächste Mal kommst du mit mir in die Stadt, einverstanden? Dann zeige ich dir die Schönheit von Architektur. Aber nichts kann das hier toppen, ehrlich!« Erneut drehte er sich einmal um die eigene Achse und seufzte vor Wonne. Ein glückliches Lächeln lag auf seinem Gesicht.
Max staunte nicht schlecht über seine offensichtliche Begeisterung für einen einfachen Wald. Unterschiedlicher könnten sie die Welt nicht sehen, fand er insgeheim. Aber machte nicht genau das den anderen so interessant für ihn? Von Leon konnte er viel lernen und vielleicht konnte er ihm seinerseits ja auch etwas beibringen, das mehr bedeutete, als nur den Abzug einer Schrotflinte zu betätigen…
»Lass uns nach Wild Ausschau halten. Es ist bald zu hell dafür.«
Leon nickte und stapfte mutig hinter ihm her. Jack immer zwischen ihnen, als müsste er auf sie beide achtgeben. Schon ein paar Minuten später erblickte Max im Dickicht vor ihnen ein Kaninchen. Er hielt Leon erneut mit der Hand auf seiner Brust auf. »Pscht!«
Leise schlich er sich hinter Leon, wartete, bis dieser die Flinte angelegt hatte. Dann griff er ihm fachmännisch unter die Arme, um gemeinsam mit ihm zu zielen. Dabei streifte sein heißer Atem kurz Leons Wange und er schluckte hart. Fast hätte er sich ruckartig zurückgezogen, ließ es aber im letzten Moment sein. Wieder fühlte er dieses Kribbeln tief in seinen Eingeweiden, alles zog sich in ihm zusammen, ein Knoten im Magen ließ ihn förmlich die Luft anhalten. Er konnte nicht sprechen.
Leon kämpfte indes gegen plötzlich auftretende Schnappatmung, als er Max so dicht hinter sich spürte. Am liebsten hätte er das Gesicht gedreht, um diese wundervollen Lippen mit den seinen einzufangen, während er wild in Max‘ Locken herumwuschelte. Aber er riss sich zusammen, nicht ohne ein Spannen in der Hose zu fühlen. Unmöglich, dass dieser hübsche Farmerjunge nicht wusste, was er ihm damit antat…
Max räusperte sich kurz. »Perfekt! Zielen und…!«, flüsterte er dicht an Leons Ohr, die Hand über seiner am Abzug. Nichts passierte. »Jetzt!« Leon drückte ab. Ein lauter Knall erfüllte die romantische Stille zwischen ihnen. Das Kaninchen sprang im Zickzack davon.
Max ließ den jungen Mann los. Er war schon ein bisschen enttäuscht, aber das wollte er sich nicht anmerken lassen. Leon hingegen atmete seufzend aus, als wäre ihm soeben ein Stein vom Herzen gefallen.
»Nicht getroffen.«
»Macht nichts! Dann eben das nächste Mal!«, beeilte sich Max ihm Mut zu machen.
Leon schmunzelte über seine Geduld mit ihm. »Ich bin nicht gerade ein Naturtalent, was?«
»Sagen wir so: Du hast Potential.«
Schallendes Lachen erfüllte den Wald. Sie wanderten langsam zusammen mit Jack zurück zum Haus, ohne in Eile zu sein. Max wollte den Ausflug allein mit dem neuen Freund noch etwas länger genießen und Leon suchte verzweifelt nach einer erneuten Möglichkeit, dem Objekt der Begierde näher zu kommen. Vielleicht sollte er es mal mit Konversation versuchen?
»Hast du eigentlich ein Mädchen?«, fragte er Max schließlich einfach gerade heraus. Was immer er ihm jetzt antworten mochte, er würde sich damit abfinden müssen.
»Nein. Du etwa?«
Sollte er gleich mit der Tür ins Haus fallen? Es war ein Risiko, aber irgendwie musste er ihm zu verstehen geben, dass er nicht so normal war, wie Max vielleicht glaubte.
»Nein. Ich stehe mehr auf…« Eine kleine Pause sollte Max Gelegenheit geben, nachzudenken.
»Auf? Das Singledasein? Darüber denke ich auch andauernd nach. Aber mein Dad will unbedingt, dass ich mir die passende Frau für die Farm suche.«
»Nein. Ich meinte, ich stehe mehr auf…« Verdammt! Es wollte ihm einfach nicht über die Lippen kommen! Er war doch sonst nicht so ein Feigling?
»Nutten?«, fragte Max ungläubig nach. Bisher war er noch nie auf den Gedanken gekommen, sich die Erfahrung einfach bei einer Professionellen zu suchen.
»Ach, Blödsinn! Auf Männer, du Spinner!« Jetzt war es raus. »Ich dachte eigentlich, du kommst selbst drauf…«
Max hatte es glatt die Sprache verschlagen. In seinem jungen Leben war er noch nicht mit Homosexualität in Berührung gekommen und hatte auch nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass es das überhaupt wirklich gab. Verwirrt blickte er stur geradeaus, während er weiter neben Leon her spazierte.
Die Stille lastete schwer auf ihnen. Aber Leon wollte Max Zeit geben, darüber nachzudenken, bevor er ihm darauf antwortete. Stattdessen streichelte er Jack und fing an, sich mit dem Mischlingsrüden zu unterhalten, als hätte er überhaupt keine Bombe platzen lassen. Es war klar, dass Max nicht mit so etwas gerechnet hatte und demnach wahrscheinlich nicht schwul war.
Die Gedanken rasten förmlich in Max‘ Kopf. Er sah plötzlich alles wie einen Film vor sich ablaufen. Das Kribbeln in seinem Bauch, das seltsame Interesse an dem jungen Mann neben ihm, das Gefühl, wenn er ihm nahe war, ihn gar berührte oder ihm Worte dicht an die Wange hauchte. Sein Herz wollte beinahe zerspringen vor Aufregung. Schlagartig wurde ihm klar, was die ganze Zeit über in ihm vorgegangen war, ohne dass er überhaupt wusste, was mit ihm los war. Und jetzt wartete der Freund auf eine Antwort. Ihm war schlecht vor Angst und Wohlgefühl zugleich. Dann nahm er seinen ganzen Mut zusammen und setzte auf Naivität.
»Stehst du etwa auf mich?«, flüsterte Max ergriffen.
Leons Herz hüpfte vor Freude. Hatte er sich also doch nicht getäuscht? »Könnte sein.« Er wollte es schließlich nicht übertreiben.
Erneut folgte eine Weile der Stille. Nur die Zweige unter ihren Füßen knickten. Beide mussten die gefallenen Worte der Wahrheit erst einmal verarbeiten.
Nach ein paar Minuten hielt Leon es jedoch nicht mehr aus. Er musste dem hübschen Jungen einfach helfen. »Was denkst du darüber?«
Gute Frage. Was dachte er darüber? Es fühlte sich an, als befände er sich im freien Fall von einer hohen Klippe. Wunderschön und beängstigend zugleich. Was wollte Leon jetzt von ihm hören? War er schon so weit, es sich nicht nur selbst, sondern auch ihm einzugestehen?
»Ich weiß nicht.«
»Okay.« Damit musste Leon sich erst einmal zufrieden geben.
Den Rest des Weges schwiegen sie, hingen beide ihren Gedanken nach und kämpften mit den aufkommenden Gefühlen. Zurück am Farmhaus fand Leon als erster die Stimme wieder.
»Nächsten Samstag bei mir in der Stadt? Wir könnten tanzen gehen, ein paar Hühner aufreißen?« Am besten ließen sie alles andere erst einmal ruhen und pflegten einfach ihre Freundschaft. Außerdem klang es wie ein Alibi für ein weiteres Treffen.
Max nickte, gab ihm freundschaftlich die Hand, nachdem Leon ihm die Flinte zurückgegeben hatte. »Okay. Ich komme um acht in den Laden.«
»Perfekt!« Mit einem Lächeln saß Leon auf dem Kutschbock auf und schnalzte mit der Zunge, um Storm in Bewegung zu versetzen. Max blickte ihm noch einige Zeit nach. Und ärgerte sich maßlos, dass er nicht deutlicher geworden war. Aber es fühlte sich noch so fremd an, so unglaublich revolutionär. Ja, das war das richtige Wort dafür. Revolutionär.

Donnerstag, 24. November 2016

Leseprobe Mysterious Encounter #3

Hier noch mal eine kleine Leseprobe (#3) als Appetizer ;-) 
#1 und #2 findet ihr ebenfalls hier auf diesem Blog.
Vielleicht springt ja auch eine kleine Rezension für mich dabei raus. ^^
Viel Spaß beim Lesen! 

~ № 3 ~


Zum wiederholten Mal klingelte jetzt das Telefon auf der Station und Caleb wies die Schwestern ärgerlich an, seinen Exfreund nicht mehr zu ihm durchzustellen. Max wollte ihn beknien, ihn regelrecht mürbe machen und ihn zum x-ten Mal um Verzeihung bitten, aber er hatte einfach keinen Nerv mehr dafür. Es war vorbei.
Außerdem hatte er noch immer ein Lächeln von letzter Nacht auf den Lippen. Eigentlich war er nicht der Typ für eine Nacht, aber dieses Mal hatte er sich darauf eingelassen und es nicht bereut. Es war heiß gewesen. Dreckig. Und absolut nicht langweilig. Was war Max doch für ein Arschloch, er hatte ihn überhaupt nicht zu würdigen gewusst. Da war dieser junge Lance doch ein ganz anderes Kaliber. Dem hatte es ausnehmend gut gefallen, wie er ihn sich zur Brust genommen hatte und ihm selbst natürlich auch. Da wäre er einem zweiten Treffen nicht abgeneigt, auch wenn es nicht den Anschein hatte, als würde Lance sich darauf einlassen. Wenigstens hatte er sich bei ihm austoben dürfen und allein das war schon ein dauerhaftes Lächeln wert.
»Dr. Bernstein?«
Caleb zuckte unter der schrillen Stimme der Stationsschwester zusammen. »Ja?«
»Bereit für die Visite?«
»Ich denke schon. Alles ruhig geblieben letzte Nacht?« Wieder unterdrückte er ein leichtes Grinsen bei dem Gedanken an seine eigenen nächtlichen Aktivitäten.
»Bis auf Mr. Fisher, ja. Das Übliche, er hat leicht durchgedreht und musste erneut ruhiggestellt werden.«
»In Ordnung, ich sehe mir die Krankenakte noch einmal genauer an. Wie oft war er inzwischen bei der Beschäftigungstherapie?«
»Dreimal laut meinen Aufzeichnungen. Er erwartet Wunder, die wir nicht liefern können. Sie sollten ihm das deutlich im Einzelgespräch klarmachen, Dr. Bernstein.«
»Wir werden sehen. Geben Sie ihm auf jeden Fall seine Medikamente in der verordneten Dosis, bevor wir eventuell doch noch über eine Erhöhung nachdenken. So, dann mal los! Wir haben noch eine Menge zu tun heute!«
Zusammen schritten sie den steril wirkenden Krankenhausflur entlang Richtung des ersten Patientenzimmers. Wenigstens waren heute keine Studenten dabei, die die Prozedur meist in die Länge zu ziehen pflegten, weil man viel erklären und abfragen musste. Trotzdem liebte Caleb es zu unterrichten, denn manchmal brachten die jungen Mediziner auch erfrischende Einsichten und neue Ansatzpunkte zutage. Nicht selten überdachte er seine eigene Diagnose nach so einer Visite dann noch einmal und versicherte sich auf diese Weise seiner eigenen Kompetenz und der bestmöglichen Behandlung im Sinne des Patienten. Er war eben mit Leib und Seele Arzt.
Der restliche Arbeitstag verlief außerordentlich ruhig für seine Verhältnisse, er konnte pünktlich um fünf das Krankenhaus verlassen und freute sich auf einen gemütlichen Abend zu Hause auf der Couch. Leider wurde dieser Wunsch jäh unterbrochen, als er Max mit schuldbewusster Miene vor seinem Apartment antraf. Eigentlich hätte er sich denken können, dass der junge Mann nicht so einfach aufgeben würde.
»Was tust du hier?«, fragte er ihn mit einiger Beherrschung und zückte zugleich seinen Wohnungsschlüssel, um die Tür zu öffnen. »Und wer hat dich ins Haus gelassen?«
»Hab einfach überall geklingelt. Cal… Kann ich mit dir reden?«
»Eigentlich habe ich keine Zeit.«
»Du hast doch nicht schon eine neue Verabredung?« Seine Stimme klang nicht wirklich gefasst. »Hast du?«
»Und wenn es so wäre?« Caleb betrat sein Apartment und wollte schon die Tür hinter sich schließen, als Max blitzschnell seinen Fuß zwischen Tür und Angel platzierte. »Muss das sein?«
»Ich vermisse dich. Bitte, lass mich dir erklären…«
»Max, ich habe dir alles gesagt und ich möchte keine weiteren Erklärungen von dir hören, denn nichts, was du sagst, kann meine Meinung ändern! Vielleicht bist du in fünf Jahren so weit, aber jetzt in diesem Moment passen wir einfach noch nicht zusammen. Du musst erst einmal erwachsen werden, kapiert?!«
»Ich war dumm… Kannst du mir denn nicht verzeihen? Es ist… Ich habe mich sicher gewähnt, verstehst du? Du warst immer da. Mir war nicht klar, dass ich kein Gewohnheitsrecht auf dich habe. In Zukunft werde ich an unserer Beziehung arbeiten, versprochen!«
»Max… Deine Einsicht kommt reichlich spät. Ich… Es geht nicht mehr. Meine Gefühle für dich haben sich im Laufe der Zeit verändert. Da ist nichts mehr, was man wiederbeleben könnte. Also, bitte… Lass mich in Ruhe und mach dein eigenes Ding, ja?«
Der junge Mann sah wirklich elend aus. Caleb hatte sogar irgendwie Mitleid mit ihm, konnte seinem Wunsch aber dennoch nicht einfach so nachkommen.
»Du hast einen anderen«, murmelte Max frustriert und schlug die Augen nieder.
»Wenn du so willst, ja, ich habe einen Neuen.« Warum log er ihn jetzt an? Vielleicht weil es dann einfacher für Max war, ihn zu vergessen?
»Ich wusste es.« Traurig machte der junge Mann kehrt und winkte zum Abschied. »Ich werde dich immer lieben.«
Caleb schluckte, als er ihn das sagen hörte, während er bereits die Treppe hinunter ging. Max bot ein Bild des Jammers und für eine Millisekunde war er tatsächlich versucht, seinem flehenden Wunsch nachzugeben. Das plötzliche nüchterne Klingeln seines Handys hielt ihn aber glücklicherweise vor einer großen Dummheit zurück. Er schloss leise die Tür und nahm den Anruf innerlich erleichtert entgegen.

*

Eine Woche später hatte er in der Klinik ziemlich viel Stress und wollte sich am Abend ausnahmsweise wieder einmal abreagieren, um all die schlimmen Schicksale irgendwie zu vergessen, sie nicht mit nach Hause zu nehmen und nächtelang über den härtesten Fällen zu grübeln. In seiner Eigenschaft als Mediziner verordnete Caleb sich kurzerhand einmal selbst Beschäftigungstherapie und stand schließlich beherzt vorm Spiegel im Badezimmer, um sich schön zu machen. Er war doch etwas eitel, gestand er sich peinlich berührt ein und grinste seinem Spiegelbild frivol entgegen. Eigentlich war es ganz schön, mal eine Weile Single zu sein und einfach keinerlei Verpflichtungen zu haben. Bisher hatte er noch immer jemanden für eine Nacht gefunden und auch heute wollte er seine überschüssige Energie auf diese Weise loswerden.
Die Nacht war warm, Regen kündigte sich auf dem Weg zum Club an. Den ganzen Tag über war es schon schwül und drückend gewesen, eigentlich keine Nacht für ein erotisches Rendezvous, wenn man schon allein von der Bewegung des kleinen Fingers das Gefühl hatte, eine Hitzewelle würde einen gleich außer Gefecht setzen. Wenn seine Patienten ihn in dem knappen Outfit sehen könnten, das er gerade wagte zu tragen, würden sie ihm vermutlich kein Wort mehr glauben. In seinem schwarzen Top und einer knackig enger Jeans sah er wirklich gut aus. Seine blonden, längeren Haare fielen ihm neckisch ins Gesicht und umrahmten einen sexy Dreitagebart, als hätte er nie im Leben etwas anderes gemacht, als hübsche Männer an der Bar aufzureißen. Und genau das wollte er jetzt auch tun. Sich einfach amüsieren und an gar nichts denken – außer an ein Kondom natürlich.
Die ersten Regentropfen fielen bereits, als er durch die Eingangstür des Clubs schnell ins trockene Innere verschwand. In seinem Alter war er zwar schon etwas überreif für die junge schwule Community, aber durch sein gutes Aussehen hatte er noch immer mehr als gute Chancen auf dem Markt. Viele junge Männer standen auf ältere Kerle, die fest im Leben standen, über genügend Geld verfügten und vor allem schon einen fertig entwickelten Körper aufzuweisen hatten. Und davon konnte er eine ganze Menge präsentieren, dank seines regelmäßigen Trainings am frühen Morgen vor der Schicht im Krankenhaus.
Mit hungrigen Augen scannte er die anwesenden Appetithäppchen und setzte sich dann guter Dinge an die Bar, um sich erst einmal ein Bier zu gönnen, während er die Tanzfläche im Auge behalten wollte. Selbst wenn er keinen Mann auftun sollte, das Beobachten allein war schon Entspannung genug, wenn man es genau betrachtete. Seine Gedanken schweiften zu möglichen Partnern und er ertappte sich dabei, wie er jeden potentiellen Bettgenossen mit dem Kerl von letzter Woche zu vergleichen drohte. Der hatte mächtig Eindruck auf ihn gemacht und er wollte diese Gedanken und Gefühle eigentlich gar nicht zulassen, aber irgendwie schlich der junge Mann sich immer wieder in seine Überlegungen, ob er das nun wollte oder nicht.
Während er noch krampfhaft versuchte, sein Augenmerk auf die Menge tanzender Kerle zu richten, entdeckte er plötzlich sein eigentliches Objekt der Begierde den Raum betreten. Nein, das war nicht ganz richtig, er schien den Raum förmlich zu füllen. Zumindest kam es Caleb so vor. Lance war ein unglaublich schöner Mann, wie er erneut feststellen musste. Seine Art sich zu kleiden war einfach umwerfend attraktiv und das schien er auch zu wissen, was ihn nicht unbedingt sympathischer für ihn machte. Er war ziemlich sehr auffällig gekleidet und stach aus der Menge heraus, weil sein Körper sich regelrecht in die schwarze enge Hose und das glänzende, anthrazit farbige Hemd hinein schmiegte. Die dunklen kurzen Haare und ein eleganter Gang rundeten das Bild ab.
Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment. Caleb meinte ein leichtes Aufleuchten in seinen Augen entdeckt zu haben, schalt sich aber sofort einen kompletten Narren und nippte zur Ablenkung an seinem Bier. Als ob so ein Kerl sich mehr als einmal mit demselben Mann einlassen würde! Lächerlich! Er war ja selbst auch nicht gewillt dazu. Nur bei ihm würde er nur zu gern eine Ausnahme machen, wenn er ehrlich war. Neben seinen körperlichen Vorzügen, die nicht von der Hand zu weisen waren, bot Lance auch einen netten Charakter, soviel er bis jetzt in der kurzen Zeit hatte erkennen können. Meist waren Aufreißer dieser Art ziemliche Schweine und absolut unsozial gestrickt.
Nachdenklich senkte er den Blick in sein Bier und wollte plötzlich gar keinen anderen Mann mehr abschleppen. Was halfen denn all die Logik und der Verstand, wenn die Gefühle nicht mitspielen wollten? Leise fluchte er vor sich hin, sich über sich selbst und sein widerspenstiges Herz ärgernd.
»Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«
Caleb blickte erschrocken auf und fand sich plötzlich seinem Wunschtraum gegenüber. Zuerst hatte er noch gehofft, Parker hätte ihn angesprochen, um ihm noch ein Bier zu entlocken.
»Du hier?«, fragte er zurück, ohne ihm auf zu antworten.
»Sieht ganz so aus. Also, was lässt dich so mies drauf sein?«
»Vergiss es! Stress im Job.«
Lance grinste verrucht. »Du solltest hinter dem Tresen arbeiten, wie ich! Da relativiert sich so einiges!«
»Wieso sehe ich dich dann nie etwas ausschenken?«
»Vermutlich, weil ich nicht hier arbeite. Hatte ich dir nicht davon erzählt? Die GYM Sports Bar
Das klang einleuchtend für Caleb. Er hatte das wohl inzwischen wieder vergessen. Mit neugierigem Blick musterte er ihn und prostete ihm dann mit seinem Bier zu.
»Darf ich dir einen ausgeben?«, fragte er ihn mutig, erwartete aber eine klare Absage, wenn er ehrlich zu sich selbst war.
»Warum nicht? Ich habe noch zwei Stunden Zeit, bevor mein Dienst beginnt.« Lance lächelte vergnügt. Dieser schöne Arzt schien überhaupt nicht zu wissen, was für eine erotische Ausstrahlung er hatte. Aber er wäre sicher der Letzte, der ihm das auf dem Silbertablett präsentieren würde.
»Ein Bier für dich?«
»Danke, gerne. Hast du heute schon was vor?«
»Ich dachte, du musst später noch arbeiten?«, grinste Caleb überrascht über die ähnliche resolute Anmache. 
»Zwei Stunden sind verdammt lang.«
»Da magst du wohl Recht haben. Aber ich sage nicht nein, wenn es das ist, was du hören willst.«
Parker stellte ihnen das Bier vor die Nase und zwinkerte ihm neckisch zu. Lance schürzte kurz die Lippen zum Dank und antwortete dann Caleb auf seine Frage.
»Genau das wollte ich hören!«, prostete er Caleb vergnügt zwinkernd zu. »Normalerweise habe ich keinen Kerl zweimal, aber für dich mache ich eine Ausnahme.«
»Weil ich so armselig drein blicke?«, brummte Caleb verletzt.
»Nein, weil du keinen Schimmer zu haben scheinst, was für eine Sahneschnitte du bist! Jemand muss dir mal die Augen öffnen!«
Das aus seinem Mund zu hören, veranlasste Caleb nun doch herzhaft zu lachen. Nie zuvor hatte ihm ein Mann derart Honig um den Bart geschmiert, nur um ihn ins Bett zu bekommen. Das grenzte schon fast an Ironie des Schicksals, denn Max hatte ihm immer im Streit an den Kopf geworfen, er würde nie im Leben noch einmal so einen Schönling wie ihn treffen oder gar abschleppen. Und da stand er nun vor ihm: einer der schönsten Männer überhaupt und er hatte ihn nach einer heißen Nacht gefragt.
»Lass gut sein, Lance! So nötig habe ich es nun auch wieder nicht!«
Als ob er dieses Gesülze auch nur im Ansatz glauben könnte! Wenn er ihn flach legen wollte, bräuchte er es nur zu sagen, statt ihm so übertriebene Komplimente zu machen.
»Dann danke für das Bier, Caleb! Ich finde sicher auch einen anderen Stecher für die zwei lausigen Stunden.« Das würde noch interessant werden, dachte der Jüngere amüsiert über Calebs bissige Reaktion auf sein tatsächlich ernst gemeintes Kompliment.
»Keine Ursache. Such dir in Zukunft einen anderen Dummen für deine schleimige Anmache.«
Ohne sich noch einmal umzudrehen, machte sich Lance davon auf die Tanzfläche, um sich dort ein wenig abzureagieren und nach einem neuen Opfer Ausschau zu halten. Immer mit der Absicht, den jungen Arzt damit eifersüchtig zu machen und doppelt zu reizen. So schnell wollte er nicht aufgeben. Seine Ausstrahlung hatte bisher noch nie ihre Wirkung verfehlt.
Caleb trank sein Bier aus und wollte den Club gerade verlassen, als ihm noch auffiel, dass Lance inzwischen tatsächlich einen anderen Typ aufgetan hatte und mit ihm förmlich über die Tanzfläche flirtete. Er konnte sich ohne Zweifel bewegen. Mit geöffneten Lippen sah er ihm von weitem noch eine Weile zu und ärgerte sich über seine verpatzte Chance. Schließlich hätte es ja nur eine geile Nacht werden sollen und keine Ehe für die Ewigkeit. Aber nun war es eindeutig zu spät. Unbefriedigt trat er schließlich durch die Tür ins Freie und kramte eine Zigarette aus seiner Jackentasche, was er eigentlich nur machte, wenn er richtig fertig war. Vielleicht war das einer dieser Augenblicke, er wusste es nicht genau.
»Feuer?«, hielt ihm Lance plötzlich sein Feuerzeug vor die Nase, noch bevor Caleb die Zigarette selbst hatte entzünden können.
Nach einigen Zügen brannte der Glimmstängel und Caleb war wieder sicher genug, um ihm zu antworten.
»Das war aber eine schnelle Nummer!«
»Ich fand den Song schon immer geil.«
Verblüfft über seine schlagfertige Antwort, schüttelte Caleb nur den Kopf und wandte sich zum Gehen.
Aber Lance hielt ihn kurzerhand am Ärmel auf. »Eigentlich laufe ich Männern nicht hinterher, aber bei dir mache ich eine Ausnahme.«
»Schon wieder? Du gibst wohl nie auf?«
»Das sollte dir zu denken geben.«
»Mir die Augen öffnen, meinst du wohl.«
»Oder so.« Verlegen lächelte er ihm zu. »Ich pflege nicht zu schleimen. Das habe ich nicht nötig.«
»Aha. Und nun?«
»Gehen wir zu dir und du vögelst mir das Hirn raus, was denn sonst?« Seine Lippen schienen förmlich zu glänzen, was Caleb nicht gerade kalt zu lassen schien. »Irgendwelche Einwände?«
Der junge Arzt schüttelte erneut den Kopf über die dreiste Anmache des hübschen Mannes, nickte aber dann doch zustimmend und ging voraus den Bürgersteig entlang.
Lance folgte ihm auf dem Fuß, die Hände in den Hosentaschen. Er wusste selbst nicht wirklich, was in ihn gefahren war, aber dieser Mann machte ihn verrückt mit seiner Ausstrahlung, der nüchternen Art und dem offensichtlichen Desinteresse an seiner Person. Dass Caleb seinen Körper geil zu finden schien, war keine Frage, aber irgendwie genügte dem jungen Mann das in seinem Fall nicht. Er wollte ihn beeindrucken. Mit Humor und Intellekt. Nicht mit seinem wohlgeformten Körper und dem hübschen Gesicht. Vielleicht weil er ein renommierter Arzt war. Besser verdienend. Es ging hier um die Ehre, irgendwie. Zumindest kam es ihm so vor.
»Jetzt haben wir nur noch eine gute Stunde«, murmelte Caleb neben ihm, während sie Richtung seines Apartments liefen.
»Dumm gelaufen.«
Zielstrebig näherten sie sich der Wohnung. Es nieselte und leichter Wind kam auf. In Calebs Kopf herrschte absolute Leere, noch immer dachte er an das Kompliment des Jüngeren an ihn. Und er konnte es trotz allem noch nicht glauben. Aber Fakt war, der junge Schönling war ihm extra gefolgt und hatte noch einmal alles auf eine Karte gesetzt. So etwas Verrücktes war ihm noch nie vorher passiert. Max hätte sich bestimmt wieder über ihn lustig gemacht.
Die gute Stunde begannen sie schließlich nicht lange mit Small Talk, sondern kamen sofort zum Wesentlichen. Nur dass Caleb ihn diesmal nicht an Max‘ Stelle bestrafen wollte, sondern sich vielmehr nur zu gerne in seinem Erfolg sonnte. Auch wenn der Sex wieder wild und unverblümt war, hatte es jetzt doch eine etwas freundschaftlichere Note. Vor allem konnte Caleb dieses Mal nicht sofort danach einschlafen, sondern starrte neben Lance an die Zimmerdecke und wunderte sich über ihr einzigartiges Zusammenspiel beim Sex.
Lance seufzte zufrieden. »Hat sich gelohnt. Definitiv.«
»Bisher haben sich öfter mal Kerle beschwert über meine Aktivitäten im Bett. Du scheinst dich allerdings ganz wohl mit mir zu fühlen.«
»Beschwert? Über den Sex mit dir?«
»Ich wäre langweilig. Zu schnell. Egoistisch. Total daneben. Such dir was aus!«
Lance war ja einiges gewöhnt, aber das hier setzte dem Fass die Krone auf. »Dann waren die offensichtlich alle nicht ganz dicht. Oder aber hetero.« Er grinste über seinen kleinen Scherz.
»Hattest du schon viele im Bett?« Schließlich muss man ja vergleichen können, wenn man solche Behauptungen aufstellt, dachte Caleb interessiert.
»Mehr als fünfzig bestimmt. Reicht das, um dich beurteilen zu können?«
»Definitiv. Das reicht. Gegen dich bin ich ein armseliger Tropf.«
»Qualität ist besser als Quantität.«
»Auch wieder wahr. Ich hatte nur vier. Mit dir fünf. Nicht gerade viel Übung.«
»Hattest du auch Frauen?«
»Zwei. Also sieben insgesamt. Du?«
»Ich weiß nicht.« Nachdenklich kratzte Lance sich am Kopf.
»Du weißt es nicht?«
»Ja. Ich kann mich an keine erinnern, aber mein Gefühl sagt mir, ich habe damit Erfahrung. Klingt das sehr dumm für dich?«
»Immerhin bist du ein Bottom. Das ist auch eine Art von weiblicher Erfahrung…«, meinte Caleb tiefsinnig und grinste ihm amüsiert ins Gesicht.
»So habe ich das nicht gemeint, aber es wäre eine Erklärung«, lachte Lance amüsiert. »Obwohl ich manchmal auch gern der Top bin.«
»Man vergisst doch keine sexuellen Abenteuer?«
»Ich schon. Offensichtlich. Vielleicht bin ich ja mal auf den Kopf gefallen, oder so. Ich habe keinerlei Erinnerung an meine Kindheit.«
»Ich glaube, du solltest jetzt in die GYM Bar und ausschenken.«
»Wohl wahr. Sehen wir uns wieder?«, hörte Lance sich tatsächlich fragen und wusste kaum wie ihm geschah.
»Lassen wir den Zufall entscheiden.«
»Er wird mir Recht geben, du wirst sehen!« Grinsend schlüpfte er in seine Hose und das Hemd und winkte noch kurz zum Abschied.
Dann war er auch schon weg. Caleb starrte ihm noch eine ganze Weile sprachlos hinterher. Zwickte sich schließlich selbst in den Oberschenkel und schrie kurz auf vor Schmerz. Nein, er träumte nicht. Offensichtlich hatte der jüngere Mann tatsächlich einen Narren an ihm gefressen. Auch wenn es wohl nur eine Bettgeschichte werden sollte, alles war besser als nichts. Nur die vergessene Kindheit und Jugend gab ihm ein wenig zu denken, nicht umsonst beschäftigte er sich tagtäglich beruflich mit Psychologie. 



      



Donnerstag, 17. November 2016

Goodie / Story zum Mitlesen -------------->>> Rebellion - Aufbruch nach New York - ONE


Ihr Lieben...
Hab mir gedacht, ich könnte euch doch auch mal eine kleine Story hier als Goodie präsentieren  ;-) 
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen! 
Updates erfolgen je nachdem, wie viel Zeit ich zum Schreiben erübrigen kann ;-)



°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°


Rating
P18

Kategorie
Gay Romance, Drama, History, Lemon

Zusammenfassung
Max und Leon, zwei Jungs aus Virginia/USA in den 30er Jahren aus einer kleinen Stadt namens Hopewell, entdecken ihre Gefühle füreinander und sind alsbald auf der Flucht in die Großstadt.


°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°



REBELLION

Aufbruch nach New York



~ ONE ~



     Die Weltwirtschaftskrise hatte auch Hopewell in Virginia nicht verschont. Vieles blieb Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts unerschwinglich für die Bewohner des kleinen Städtchens. Einzig die Farmer konnten sich wenigstens mit dem eigenen Feldertrag ein wenig leichter über Wasser halten, aber auch die Ernten waren wetterabhängig und nicht immer garantiert. In dieser schlimmen Zeit ging man nur zu gerne am Sonntag in die Kirche und traf sich mit anderen Gemeindemitgliedern zum gemeinsamen Jammern über die schlechten Zeiten. Oder aber auch nur, um sich nach einem Ehepartner umzusehen und Freundschaften zu pflegen.
     Leon war mit seiner Familie erst vor drei Jahren hierher gezogen, nachdem sie den Gemischtwarenladen von seinem Großonkel geerbt hatten. Damals, mit vierzehn, war er noch halbwegs begeistert gewesen, weiter hinaus aufs Land zu ziehen. Jetzt jedoch, mit siebzehn, wollte er nur noch weg aus diesem Nest. Es gab einfach nichts hier. Noch nicht mal viele Freunde in seinem Alter. Die meisten wohnten weit verstreut auf ihren Farmen, waren zu fein für den Sohn eines einfachen Gemischtwarenhändlers, dessen verstorbener Großonkel seit jeher als unsympathischer Geizhals verschrien war, oder einfach nicht im richtigen Alter für ihn. Was sollte er mit kleinen Kindern anfangen?
     »Leon, übernimm mal den Laden für eine Stunde! Ich muss dringend nach Richmond, um neue Ware zu sichten!«, schrie ihm sein Vater schon von weitem zu, als er aus der Schule nach Hause kam.
     Er wollte das Geschäft wieder auf Vordermann bringen, um es bis nach der Krise über Wasser halten zu können, und so musste Leon oft nach dem Unterricht noch die Stellung halten und zickige Kundschaft bedienen. Mittlerweile wurde es immer schwieriger, überhaupt sofort bezahlt zu werden, denn niemand hatte noch genug Geld in der Tasche, nicht einmal für die einfachsten Dinge. Ihm wurden daher auch lebende Hühner, Ferkel und Handarbeiten als Bezahlung angeboten, was Mr. Sickler ganz und gar nicht passte. Leon fand es nicht so schlimm, er wäre auch mit Tieren als Bezahlung zufrieden gewesen, aber er war angewiesen, möglichst nichts anzuschreiben und immer auf Bargeld zu bestehen. Manchmal drückte er aber doch ein Auge zu, um die Leute nicht total gegen seinen Dad aufzubringen. Es war schon schwer genug, den unschönen Ruf des Großonkels wieder wettmachen zu müssen.
     Gerade hatte er Mrs. Pentecost noch einmal erlaubt, anschreiben zu lassen, als ein junger Bursche den Laden betrat, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Und der Ort war nicht gerade groß.
     »Hey!«, begrüßte der junge Mann ihn freundschaftlich.
     Leon unterdrückte ein Schmunzeln. »Selber hey! Was kann ich für dich tun?«
     »Meine Mum bräuchte drei Kilo Mehl und zwei Kilo Zucker.«
     »Kommt sofort!« Schnell hatte Leon das Gewünschte zusammengesucht und stellte es auf den Tresen vor den gutaussehenden, jungen Mann. »Noch etwas?«
     »Eine Haarspange für meine kleine Schwester.«
     »Komm rüber und sieh dir an, was wir haben!«
     Leon führte ihn zu einem Regal neben dem Tresen und zeigte ihm die verschiedenen Modelle nach dem allerletzten Schrei. »Billig sind die nicht, kannst du dir das leisten?« Seiner einfachen, aber sauberen Kleidung nach zu urteilen, war der junge Mann ein Farmer.
     »Ich zahle bar. Die hier gefällt mir. Wie viel?«
     »Zehn Cent.«
     »Gekauft.«
     »Sonst noch etwas?«
     »Das wär‘s, danke. Was macht das zusammen?«
     »35 Cent. Ich hab dich noch nie hier gesehen, wo ist denn eure Farm?«
     Max zog seine Stirn in Falten. »Was macht dich so sicher, dass ich auf einer Farm lebe?«
     »Touché!« Leon grinste beschämt. »Es kommt nicht wieder vor.«
     Max nickte kurz und verließ ohne ein weiteres Wort den Laden. Das Klingeln beim Öffnen der Tür hallte noch lang in seinem Kopf.
     Mit einem lauten Seufzer schloss Leon die Registrierkasse und blickte ihm nachdenklich hinterher. Das hatte er gründlich vermasselt! Dabei sah der Junge verdammt gut aus, obwohl er das offensichtlich nicht wusste. Diese Jungs vom Land waren einfach nicht so oberflächlich wie die jungen Männer in der Stadt. Früher in Richmond hatte er schon ab und zu versucht ein paar zarte Bande zu knüpfen, war aber mangels Mut dann doch immer wieder ohne eine neue Erfahrung stehengelassen worden. Bis zu diesem einen verrückten Tag vor etwa sechs Monaten, als sein Vater zum Gericht bestellt worden war, um die Erbschaft des Großonkels anzunehmen.
     Es hatte alles ganz harmlos angefangen. Er war mitgefahren, um sich den neuesten Kinofilm anzusehen, während sein Vater das Geschäftliche regelte. Der kleine Saal mit den roten Samtsesseln war kaum besetzt so früh am Nachmittag und Leon hatte sich in die letzte Reihe gesetzt. Nur ein einziger anderer Junge hatte noch dort ein paar Sessel weiter gesessen.
     »Kann ich mich zu dir setzen?«, begann der andere die Unterhaltung.
     Leon zuckte nur mit den Schultern. Es war schon dunkel im Saal.
     »Wie heißt du? Ich bin Aldous. Aldous Brent.«
     »Leon Sickler.« Noch nie hatte ihn an anderer Junge einfach so an-gesprochen.
     »Leon… Wie alt bist du?«
     »Tut das was zur Sache?«
     »Ich will schon wissen, wenn ich ein Kind angrabe.«
     Selbst in der Dunkelheit konnte Leon sein teuflisches Grinsen erkennen. Wollte er ihn testen? Eine heikle Situation für ihn, ihm war plötzlich ganz mulmig zumute, aber in seiner Hose regte sich mehr als erwünscht.
     »Fünfzehn. Du?«
     »Erwachsen. Willst du rummachen?«
     Hektische rote Flecken erschienen auf Leons Wangen. Er fühlte sich regelrecht überrumpelt. Wie kam der Kerl überhaupt darauf, dass er…?
     »Spinnst du?«, flüsterte er. »Ich bin doch nicht schwul!«
     »Und ob du das bist!« Aldous lachte dreckig. »Also? Willst du?«
     Entsetzt über so viel Dreistigkeit, fiel Leon keine passende Antwort darauf mehr ein. Er hatte genug damit zu tun, nach Luft zu schnappen. Bis heute wusste er nicht, was dann geschehen war, aber plötzlich fanden sich weiche Lippen warm auf den seinen wieder. Dieser fremde junge Mann hatte es gewagt, ihn im Dunkel des Kinos einfach zu küssen! Mit drängender Zunge und kundigen Fingern hatte er ihm zum ersten öffentlichen Orgasmus seines Lebens verholfen. Nach nicht einmal einer halben Minute. Er wäre am liebsten vor Scham im Erdboden versunken.
     »Armer Kleiner! Das gibt deutliche Flecken auf der Hose!«, traute sich Aldous noch schadenfroh zu bemerken, bevor er sich wieder der Leinwand zuwandte, um endlich den Film zu gucken.
     Am Ende der Vorstellung hatte er ihm noch einen Zettel zugesteckt, auf dem ein geheimer Treffpunkt stand. Noch heute wurde er tiefrot, wenn er nur daran dachte, wie lange er sich dazu hatte durchringen müssen, zu dem Treffen zu gehen. Das waren sicher die schlimmsten Stunden seines bisherigen Lebens gewesen. Im Nachhinein war er froh darüber. Aldous hatte ihm in seiner kleinen Unterkunft in den nächsten Wochen alles gezeigt, was man als schwuler Mann wissen musste, um zu überleben und in den Genuss der höchsten Wonnen zu kommen. Er hatte ihm einiges zu verdanken!

  
*


     Wieso nur wollte ihm dieser dunkeläugige Junge hinter dem Tresen nicht mehr aus dem Kopf gehen? Woher hatte er gewusst, dass er Farmer werden sollte? War er so schlecht gekleidet? Oder etwa so armselig? Selten war ihm etwas so peinlich gewesen. Nachdenklich betrachtete er sich im Badezimmerspiegel des kleinen Farmhauses. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass er tatsächlich ein wenig langweilig, um nicht zu sagen schäbig, gekleidet war. In den letzten Jahren hatte es nicht mehr zu besonderer Kleidung gereicht. Die Ernte war schlecht und die Wirtschaftskrise tat ihr Übriges. Es war Ebbe in der Kasse. Die Haarspange für Rosalie hatte er sich mühsam zusammengespart. Sie sollte nicht unter den äußeren Umständen leiden, das war ihm als großer Bruder sehr wichtig.
Gerade, als er sich die Haare am Scheitel zurecht bürstete und die widerspenstigen blonden Locken zu bändigen versuchte, blickte seine kleine Schwester zur Tür herein.
     »Verschwinde!«, zischte er böse in ihre Richtung.
     Rosalie grinste hämisch. »Machst dich wohl schick für ein Mädchen, was?«
     Max streckte ihr nur die Zunge raus und warf die Tür krachend hinter ihr ins Schloss.        »Schade, ich hab dir heute was mitgebracht aus dem Laden!«, rief er laut genug, dass sie jedes Wort verstehen konnte. Noch einmal strich er sich die Locken hinter die Ohren und lächelte seinem Spiegelbild aufmunternd zu. »Hässlich bin ich nicht grade«, murmelte er zufrieden mit seinem Äußeren.
     »Bitte! Zeig‘s mir! Ich sag auch, dass es mir leid tut!«, bettelte Rosalie lautstark durch das alte Holz. »Bitte! Bitte! Bitte!«
     Mit Schwung öffnete er die Tür, sie stürzte ihm regelrecht in die Arme und er zauberte hinter seinem Rücken die neue Haarspange für ihre hüftlangen weißblonden Locken hervor.
     »Ist die schön! Danke!«
     »Steht dir bestimmt hervorragend!«, meinte er charmant mit einem Lächeln auf den Lippen.
     »Hier! Sieh mal! Findest du, ich sehe hübsch aus?« Ihre Blicke trafen sich im Spiegel.
     »Wunderschön! Und ich?« Wer ließ sich nicht gerne mit Komplimenten überhäufen?
     »Du?«
     »Ja, ich! Bin ich auch hübsch in deinen Augen?«
     Ihre Lippen formten einen kleinen Schmollmund. »Hm… Ein bisschen vielleicht.«
     »Nur ein bisschen?«
     »Ja, okay! Du bist hübsch!«, ließ sie sich zäh aus der Nase ziehen.
     »Wie hübsch?« Max wollte nicht locker lassen. Er musste wissen, wie er auf andere Menschen wirkte.
     »Meine Freundin Carmela steht total auf dich!«, grinste Rosalie frech in den Spiegel und zupfte sich dabei gemächlich eine Strähne zurecht.
     Jetzt wurde er auch noch rot! Verdammte Scheiße!
     Rosalie lachte prompt mit vorgehaltener Hand und verließ noch immer kichernd das Badezimmer. Er hätte nicht fragen sollen. Aber immerhin bestätigte ihm das sein doch recht gutes Aussehen. Auch wenn man kleinen elfjährigen Mädchen nicht recht trauen konnte.
     »Max! Komm runter, du musst noch Heu einbringen!«, rief ihn sein Vater streng zur Ordnung.
     Schnell rannte er die Treppe hinunter und schwang sich wie immer auf den klappernden Traktor, um auf der Farm zu helfen, die er einmal übernehmen sollte. Draußen auf dem Feld unter strahlendem Sonnenschein und sengender Hitze, zog er sich den Stetson tiefer in die Stirn und ließ seine Gedanken schweifen, während er das Heu einbrachte.
     Warum war ihm dieser Junge nie zuvor im Laden aufgefallen? Er war doch schon oft mit seinem Vater dort gewesen, hatte aber immer nur Mr. Sickler dort angetroffen. Wo hatte er seinen Sohn bloß all die Monate versteckt?
     Er war nett.
     Und sah verdammt gut aus.
     Max konnte nicht umhin, ein Kribbeln in seinem Bauch zu registrieren, wann immer er seitdem an Leon dachte. Ihm war, als hätte er Fieber. Sicher war das nur die Hitze auf dem Feld. Oder etwa doch nicht?
     Wieder errötete er zutiefst und schalt sich einen Narren. Trotzdem wanderten seine Gedanken unweigerlich erneut zu dem apart aussehenden, dunkelhaarigen jungen Mann hinter dem Tresen des Gemischtwarenladens…


Tbc…


°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°



So, jetzt ist es an euch, zu entscheiden, ob das was zu lesen sein könnte oder lieber nicht ;-) Freu mich über Anregungen, Kommis und Bemerkungen jeglicher Art.
Mehr von Max und Leon demnächst hier auf diesem Blog! ^^